Prüfung nach VdS 2871

Fragen zur Prüfung elektrischer Anlagen nach VdS 2871


Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag vor Schadenseintritt

Neben den erforderlichen Prüfungen durch den Betreiber auf Grundlage der gesetzlichen Arbeitsschutzbestimmungen und Unfallverhütungsvorschriften lohnt sich für Betreiber und Versicherungsnehmer ein Blick in den Versicherungsvertrag. Hierzu legt der Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (kurz GDV) in den Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (kurz AFB) in §8 die folgenden Pflichten des Versicherungsnehmers vor Schadenseintritt fest:

  • es sind alle gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften einzuhalten und
  • es sind sonstige vertraglich vereinbarte Obliegenheiten zu beachten.

Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung durch den Versicherungsnehmer, kann der Versicherer innerhalb eines Monats, nach Kenntnisnahme der Pflichtverletzung den Vertrag fristlos kündigen. Das Kündigungsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er die Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat.

Bei Pflichtverletzungen gegenüber dem Gebäude- bzw. Sachversicherer stellt sich nun die Frage nach dem Versicherungsnehmer. Wird im Versicherungsvertrag eine regelmäßige Prüfung nach VdS 2871 durch einen Sachverständigen gefordert, ist der Versicherungsnehmer in der Pflicht diese zu veranlassen. Hat z.B. ein Vermieter sein Gebäude versichert, lässt sich die Zuständigkeit vertraglich mit dem Mieter regeln. Gegenüber der Versicherung ist jedoch der Vermieter in der Pflicht.

Welche Anlagen und Anlagenteile sind im Rahmen der Prüfung zu besichtigen ?

  • Trafostationen einschließlich Mittelspannungsschaltanlagen
  • Schaltanlagen und Verteiler
  • Elektrische Anlagen der Gebäude- und Versorgungstechnik
  • Kabel- und Leitungsanlagen
  • Leitungsdurchführungen und Brandschottungen
  • Beleuchtungsanlagen
  • Erdungsanlagen
  • Überspannungsschutz
  • ortsveränderliche Betriebsmittel, sofern diese bei der Prüfung vorgefunden werden
  • Photovoltaikanlagen
  • Maschinenschaltschränke (Stichproben)
  • Ladeinrichtungen zum Laden von Elektrofahrzeuge
  • …..

Bei der Prüfung nach VdS SK 3602 handelt es sich nicht um eine Prüfung des inneren und äußeren Blitzschutzes. Es werden im Rahmen der Besichtigung die Auswahl, Anordnung und Zustand der Überspannungsschutzgeräte in Verteilern in Augenschein genommen. Hierbei wird wird überprüft, ob die Anschlussleitungen gemäß DIN VDE 0100-534 innerhalb von Elektroverteilungen ausreichend kurz gehalten sind und ob die Sichtmelder der Überspannungsschutzgeräte ausgelöst haben.

Sind Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf dem Dach des Risikostandortes installiert, sind diese im Rahmen der Prüfung gemäß VdS 2871 Beiblatt 01 zu besichtigen.


Was ist der Zweck dieser Prüfung ?

Der Fokus der Prüfung liegt auf dem Brand- und Sachschutz und damit auch der Prävention von Produktionsausfällen.

Neben dem Aspekt des Sachschutzes sind auch die Schutzmaßnahmen: Schutz gegen elektrischen Schlag; Schutz gegen thermische Einwirkungen, Schutz bei Überstrom etc. zu berücksichtigen.


Was wird für die Prüfung vorausgesetzt ?

Die Prüfung setzt voraus, dass der Betreiber gemäß AFB §8 den ordnungsgemäßen Betrieb der elektrischen Anlage sicherstellt und die gesetzlichen Vorgaben beachtet und einhält. Hierzu obliegen dem Betreiber z.B. folgende Pflichten:

  • Die Prüfung der elektrischen Anlage und der ortsveränderlichen Betriebsmittel wird gemäß DGUV Vorschrift §5 und BetrSichV vor erstmaliger Verwendung und in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt.
  • Der Betreiber hat gemäß ArbSchG § 6 Absatz 1 und BetrSichV §3 eine Gefährdungsbeurteilung erstellt in der u.a. die Prüffristen sowie der Prüfumfang festgelegt ist.
  • Für Anlagenbereiche mit Explosionsgefährdung liegt ein Explosionsschutzdokument vor und die Bereiche werden nach BetrSichV regelmäßig geprüft.

Im Rahmen der Prüfung nach VdS 2871 Abs. 4.5 wird bei der Ordnungsprüfung die Prüfaufzeichnungen gesichtet und die Feststellungen im Befundschein vermerkt.


Wer darf die Prüfung durchführen ?

Die Prüfung darf nur ein anerkannter Sachverständiger nach VdS* 2228 durchführen. Der Sachverständige muss vom Versicherungsnehmer unabhängig sein und darf von den festgestellten Mängel nicht wirtschaftlich profitieren. Der Sachverständige darf demnach kein Mitarbeiter des Versicherungsnehmers sein und darf auch nicht als Errichter oder Instandhalter beim Versicherungsnehmer auftreten.

Eine Elektrofachkraft, kurz EFK, ist nicht zur Durchführung der Prüfung berechtigt.  Die Anerkennung des Sachverständigen ist personengebunden. Hierzu führt jeder anerkannte Sachverständige nach VdS 2228 eine Anerkennungsnummer, die im Befundschein auf der ersten Seite angegeben ist. Ob der Sachverständige einem Prüfkonzern angehört oder auf selbstständiger Basis die Prüfungen durchführt, ist demnach irrelevant. Welcher Sachverständige beauftragt wird entscheidet der Versicherungsnehmer.

*VdS: Verband der Sachversicherer (frühere Bezeichnung)


Wie läuft die Prüfung ab ?

Sind keine anderen Informationen über die vertraglichen Bedingungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer festgelegt, ist die elektrische Anlage des gesamten Risikostandortes zu berücksichtigen. Nicht zugängliche Bereiche, Räume oder Anlagenteile sind einer Nachbesichtigung zu unterziehen. Der Umfang wird vom Sachverständigen im Befundschein dokumentiert.

Die Prüfung besteht im Wesentlichen nach VdS 2871 aus folgenden Teilen:

  • Ordnungsprüfung
  • Besichtigung der Anlage
  • Funktionsprüfung
  • Messungen

Bewegt sich der Sachverständige im Betrieb, ist ihm während der Prüfung eine orts- und anlagenkundige Person zur Seite zu stellen. Diese Person sollte über die erforderlichen Zugangsberechtigungen und Befähigungen verfügen und mit den Maßnahmen zur Arbeitssicherheit im Betrieb sowie den entsprechenden Hilfsmitteln vertraut sein.


Werden Messungen durchgeführt ?

Im Rahmen der Prüfungen werden gemäß DIN VDE 0105-100 Abs. 5.3 und VdS 2871 folgende Messungen durchgeführt:

  1. Messung von Schleifenwiderständen (Stichproben)
  2. Messung von Isolationswiderständen (Stichproben)
  3. Funktionsprüfungen von RCDs (Fehlerstromschutzeinrichtungen) (Stichproben)
  4. Prüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen gegen elektrischen Schlag gemäß DIN VDE 0105-100 Abs. 5.3.101 (Stichproben)
  5. Vollständigkeit und Ausführung der Übersichtspläne, der Bedienungsanleitung, der Beschreibung der Anlage sowie der sonstigen Dokumentation
  6. Temperaturmessungen werden an neuralgischen Punkten der elektrischen Anlage stichprobenartig vorgenommen

Für die Messungen 1), 2), 3) und 6) sind keine Abschaltungen erforderlich. Abschaltungen werden ausschließlich in Abstimmung des Anlagenverantwortlichen und unter Berücksichtigung der betrieblichen Interessen durchgeführt.

Führt der Betreiber selber Messungen durch und sind die Messergebnisse geeigneter Form vorhanden und in geeigneter Form dokumentiert, können im Rahmen der Prüfung nach VdS SK 3602 Messungen auf Stichproben reduziert werden. Die Auswahl der Stichproben und der Umfang obliegt dem Sachverständigen. Stromkreise werden selbstverständlich unter Beachtung der Betriebsinteressen ausgewählt und zur Messung abgeschaltet.


Wie wird die Prüfung dokumentiert ?

Das Ergebnis der Prüfung wird in einem sogenannten Befundschein festgehalten. Die Form und Inhalte des Befundscheins sind vom VdS vorgegeben. Auf Seite 1 im Befundschein gibt der Sachverständige eine Gesamtbeurteilung der Anlage ab. Die Einstufung erfolgt gemäß den Vorgaben nach VdS 2871 Abs. 3 in vier Gefährdungskategorien.

KategorieBedeutung
aDie Anlage befindet sich in gutem Zustand. Eine Wartung erfolgt und Gefahren sind offensichtlich nicht zu erwarten. Es wurden keine bedenklichen Mängel festgestellt.
bDie Anlage befindet sich in gutem Zustand mit Beeinträchtigungen in Teilbereichen, die weiter beobachtet werden müssen.
cTeilbereiche der Anlage befinden sich in weniger gutem Zustand. Dabei ist teilweise von Beeinträchtigungen auszugehen, die sofort behoben werden bzw. die weiter beobachtet werden müssen. Je nach Nutzung ist in Teilbereichen von Gefahren auszugehen.
dDie Anlage befindet sich in schlechtem Zustand. Es sind zahlreiche Mängel vorhanden, die sofort behoben werden müssen.
Einstufung der Anlage gemäß VdS 2871

Mängel werden im Anhang A zum Befundschein dokumentiert. Die Mängel beziehen sich auf Abweichungen gegenüber den vom Sachverständigen hinzugezogenen Bewertungskriterien. Jeder festgestellte Mangel wird hier beschrieben. Zur Mangelbeschreibung geöhrt zudem die Angabe des Mangelortes und die Gefahreneinstufung.

Im Mangeltext können auch vom Sachverständigen Hinweise und Anmerkungen zur Mängelbeseitigung beschrieben sein. Diese Hinweise und Anmerkungen stellen lediglich eine Möglichkeit dar, den Mangel abzustellen. Es muss sich dabei nicht um die wirtschaftlichste Lösung handeln. In jedem Fall ersetzen diese Anmerkungen keine ordentliche Planung.

Die Mangeleinstufung erfolgt durch den Sachverständigen. Besteht bei einem Mängel eine Personen- oder Brandgefahr, sind diese mit  „X“ und/oder „O“ im Befundschein gekennzeichnet. Dabei bedeutet ein „X“, dass ein Brandgefährlicher Mangel vorliegt. Dies ist typischerweise der Fall, wenn Leitungen überlastet sind oder Klemmen und Anschlussstellen Erwärmungsspuren aufweisen. Ein „O“ bedeutet eine Personengefahrdung. Personengefahren liegen typischerweise bei losen oder fehlenden Abdeckungen vor berührungsgefährlichen Teilen vor. Mängel, die mit „X“ oder „O“ klassifiziert sind, sind unverzüglich zu beseitigen.


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